Aus Wein wird Sekt

Die kleine Geschichte eines großen Getränks

Dass ausgerechnet auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1867 der Siegeszug des deutschen Sektes begann, klingt wie ein Treppenwitz der Weingeschichte. Denn die Metropole an der Seine war im 19. Jahrhundert die unangefochtene Hauptstadt des Champagners, der nicht nur in den Restaurants in Strömen floss, sondern auch das aufstrebende Bürgertum der „Dritten Französischen Republik“ am neuen, prickelnden „savoir vivre“ teilhaben ließ.

Sektgläser weiß rot mit Schatten
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Nicht der Champagner

Champagne Falling
Drei Jahre später musste sich die Grande Nation den deutschen Truppen unter preußischer Führung geschlagen geben, Napoleon III. dankte ab und Wilhelm I. wurde im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles zum deutschen Kaiser ausgerufen. Eine Schmach für das stolze Frankreich, und jetzt sollte auch noch die Vorherrschaft des Champagners ins Wanken kommen? Der streitbare Nachbar, die Bier- und Sauerkrautnation hatte plötzlich ein dem Champagner vergleichbares Getränk? Unvorstellbar!
Aber auf der Weltausstellung 1867, an der 32 Länder mit insgesamt 52.200 Austellern teilnahmen, gab es die erste Goldmedaille für einen deutschen Sekt, der damit zum offiziellen Konkurrenten des Champagners gekürt wurde. Dass Champagner damals wie heute als Sinnbild für die Lebenslust einer ganzen Nation steht und zur kulturellen Identität des Landes gehört, machte die Sache für die Franzosen nur noch schlimmer.
Die Tatsache, dass es vor allem junge deutsche Winzer waren, die sich um die auffallend vielen jungen Witwen der Champagner-Dynastien kümmerten, gleichzeitig die Erfolgsgeschichte der Weinbauregion mitschrieben, ist bis heute eine Randnotiz, die allenfalls noch in den deutschklingenden Namen renommierter Champagner-Häuser auftaucht.

Die Sekt-Pioniere

Einer jener jungen Winzer war Georg Christian Kessler aus Heilbronn, der 1807 nach Reims ging und in das kleine Weinhandelsunternehmen der gerademal 30jährigen Witwe Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin, besser bekannt als „Veuve Clicquot“, eintrat. Hier brachte er es bis zum Teilhaber, kehrte jedoch nach rund 20 Jahren der Witwe den Rücken und gründete am 1. Juli 1826 in Esslingen die erste deutsche Sektkellerei.
Andere folgten ihm, darunter Matheus Müller, der Erfinder des Piccolos, Deinhard in Koblenz, Kupferberg in Mainz, Kloss & Förster in Freyburg an der Unstrut, Henkel in Mainz und Schloss Vaux. Im Jahre 1872 lag die Jahresproduktion bereits bei rund vier Millionen Flaschen, doch den endgütigen Durchbruch verdankt der Sekt jener besagten Pariser Goldmedaille von 1876.
Der prickelnde Schaumwein aus Rieslingtrauben, den das Wiesbadener Sekthaus Söhnlein unter dem Namen „Rheingold“ auf der Weltausstellung präsentierte, begeisterte auch Kaiser Wilhelm I. und er befahl, dass fortan bei Schiffsstaufen nur noch „Rheingold“ an die Bordwand zu schmettern sei. Sein illustrer Neffe Wilhelm II., großer Fan von großen Schiffen, ging noch einen Schritt weiter und erdachte 1902 die Sektsteuer zur Finanzierung seiner kaiserlichen Flotte, um der königlichen englischen Verwandtschaft auf hoher See die Stirn bieten zu können.
Mehr als 120 Jahre später spülte die immer noch existierende Steuer dem Fiskus Millionen Euro in den Staatssäckel, pro 0,75-Liter-Flasche werden aktuell 1,02 Euro fällig.
Die Produktionsmethoden sind nahezu die gleichen, auch Sekt ist eine Veredlungsstufe des Weines durch die alkoholische Gärung. Ideal für die Versekttung eignen sich Grundweine aus Trauben, die eine frische markante Säure aufweisen, die dem späteren Sekt seine Spritzigkeit verleiht.

Die Varianten

Entscheidet sich der Hersteller, den Sekt aus mehreren verschiedenen Grundweine zu produzieren, entsteht daraus eine Cuvée, die es ihm ermöglicht, durch unterschiedliche Anteile der jeweiligen Grundweine qualitative Jahrgangsschwankungen zu korrigieren und kontinuierlich einen gleichbleibenden Geschmack zu erzielen. Deutscher Sekt kann aus allen in Deutschland zugelassenen Rebsorten hergestellt werden, immer mehr Weingüter nutzen diese Chance.
Das Geschäft mit deutschem Sekt, dessen Namen erst 1925 amtlich wurde, florierte vor allem dank des Wissens, das die deutschen Heimkehrer aus der Champagne mitgebracht hatten.
INGO Swoboda
feinkosten Redaktion

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Aller Anfang ist Gärung

Am Anfang jeder Sektlaufbahn steht die erste natürliche Gärung des Traubenmostes, die ihn in Wein verwandelt. Doch erst durch eine zweite Gärung wird der Wein zu dem prickelnden und schäumenden Getränk, das ihn vom Stillwein unterscheidet. Sekt! Um den Wein in diesen Zustand zu versetzten, wird er mit gelöstem Zucker und Reinzuchthefen, der sogenannten Fülldosage (Tirage) angereichert, die eine zweite Gärung in Gang bringt und dabei Hefe und Zucker in Alkohol und Kohlensäure aufspaltet. Wie süß der Sekt am Ende sein soll, entscheidet die Zugabe von Saccharose, Traubenmost, Wein oder Weindestillat.
Mehr als die Hälfte der Deutschen bevorzugt die Geschmacksrichtung trocken, das entspricht rund 6 Würfelzucker pro 0,75.Liter-Flasche. Ein Drittel der Konsumenten favorisiert halbtrocken (rund 10 Würfelzucker) und nur knapp 5 Prozent der Sekte, werden extra trocken ausgebaut (zirka 3,5 Würfelzucker).
Wo genau die wundersame Verwandlung von Wein zu Sekt stattfindet, ist keine philosophische, sondern eine wirtschaftliche Frage. Die aufwendigste, und damit teuerste Produktionsmethode ist die klassische Flaschengärung. Dabei bleibt der zu versektende Wein sein Leben lang einer Flasche treu, vergärt dort zweimal, blubbert, liegt mindestens neun Monate auf der Hefe - so will es der Gesetzgeber - wird degogiert, und damit von der abgestorbenen Hefe befreit, wieder aufgefüllt, verschlossen und erst bei passender Gelegenheit von seinem Korken befreit, um schäumende Lebenslust in die Gläser zu bringen. Das hat seinen Preis.
Weniger personalaufwendig bei der Entfernung der Hefe ist das seit den 1950er Jahren angewendete Transvasier-Verfahren. Dabei werden die Flaschen nach mindestens neunmonatiger Flaschengärung in einen Gegendruckbehälter entleert und die Hefe unter Kohlensäuredruck herausgefiltert. Anschließend bekommt der Sekt im Drucktank seine Versanddosage, wird unter Gegendruck auf neue Flaschen gefüllt und verkorkt.
Die einfachste und günstigste Herstellungsvariante nennt sich Großraumverfahren. Etwas schöner klingt das französische Wort „Charmat“ für diese simple Methode, die allerdings ein sehr homogenes, gleichbleibendes Produkt garantiert. Wein, Fülldosage und Reinzuchthefen kommen für sechs Monate in einen großen Tank mit Rührwerk, das dafür sorgt, dass die Hefe regelmäßig aufgewirbelt wird. Danach wird der Sekt in einen Gegendruckbehälter umgefüllt, die Hefe ausgefiltert, und die Versanddosage zugegeben, bevor die neuen Flaschen unter Gegendruck gefüllt und verkorkt werden.
Ist auf der Sektflasche kein Produktionsverfahren angegeben, darf man davon ausgehen, dass der Sekt diesen kostengünstigen Herstellungsprozess durchlaufen hat.
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Unser Fazit

Vom anfänglichen Konkurrenzschock hat sich der Champagner längst erholt, aber die französischen Winzer bleiben misstrauisch. Ihr mächtiger Interessenverband wacht mit Argusaugen darüber, dass bei der Schaumweinproduktion außerhalb der Champagne alle Wörter und Begriffe vermieden werden, die das Wort Champagner im weitesten Sinne verwenden. So darf die „methode champenoise“ nicht mehr auf deutschen Etiketten stehen.
Hier heißt es „klassische Flaschengärung“, was die gleiche Produktionsmethode bezeichnet. Dem deutschen Sekt kann das nichts anhaben. Seine geschmackliche Vielfalt und individuelle Klasse, ob vom Winzer, aus der kleinen Sekt-Manufaktur oder dem traditionsreichen Sekthaus, ist weltweit einzigartig und ein Beweis, dass auch Deutschland verdammt gute prickelnde Seiten hat.
von Ingo Swoboda